Split the difference!

14. April 2024By Anita BleikerIn Negotiation

Triff dich in der Mitte - Gründe dafür und dagegen

«Never Split the Difference» ist der Titel eines Buchs von Chris Voss, einem ehemaligen FBI-Verhandlungsführer für Geiselnahmen, der seine umfangreichen Erfahrungen und Techniken im Bereich der Verhandlung teilt.

Das Hauptprinzip, das Chris Voss in seinem Buch vermittelt, ist die Idee, dass in Verhandlungen nicht notwendigerweise Kompromisse eingegangen werden sollten, insbesondere, wenn es um wichtige Angelegenheiten geht. Stattdessen sollte versucht werden, bessere Ergebnisse zu erzielen, ohne Kompromisse einzugehen.

Ein anschauliches Beispiel wird durch den Fall eines Geiselnehmers gegeben, der $1 Mio. für die Freilassung von sechs Geiseln verlangt. In solchen Situationen ist es zweifellos schwierig, die Differenz aufzuteilen, denn welche Lösung bietet man an? $0.5 Mio. für drei Geiseln, wenn das vorrangige Ziel darin besteht, alle Geiseln sicher zu befreien?

Auch in alltäglichen Verhandlungen, etwa ob ein Kind Sandalen oder Wanderschuhe tragen soll, erweist sich ein Kompromiss, der eine Sandale und einen Wanderschuh beinhaltet, als unpraktisch.

Befinden wir uns jedoch in einer Verhandlung, bei der es um Termine oder Preise geht, ist aus meiner Sicht der Kompromiss grundsätzlich nichts Falsches. Stell dir vor, jemand möchte dein Auto für CHF 50’000 kaufen, deine Preisvorstellung liegt allerdings bei CHF 60’000. Wenn du nun bereit bist, diese leicht nach unten zu korrigieren und deine potenzielle Käuferin ihr Angebot etwas nach oben anpasst, spricht aus meiner Sicht nichts gegen eine Einigung bei CHF 55’000.

Es ist wichtig zu betonen, dass ein Kompromiss nur dann erzielt werden kann, wenn er sich innerhalb der ZOPA «Zone of possible agreement» bewegt (siehe dazu auch meinen Blog zum Thema Abkürzungen im Verhandlungskontext).

Auch wenn «sich in der Mitte treffen» in einigen Fällen von Vorteil sein kann, ist es wichtig, die mit dieser Strategie verbundenen Fallstricke zu vermeiden. Frage bei der Partie, die den Kompromiss vorschlägt, nach, weshalb sie dies offeriert. Zudem solltest du dir der psychologischen Auswirkungen einer Aufteilung der Differenz bewusst sein, da sie ein Gefühl falscher Fairness erzeugen kann, das zu suboptimalen Ergebnissen führen könnte.

Folgende Punkte sind zu beachten, wenn jemand einen Kompromis:

  • Wenn jemand vorschlägt, die Differenz aufzuteilen, könnte das bedeuten, dass es mehr Wert zu beanspruchen gibt.
  • Verhandle weiter: Nutze den Vorschlag als Ausgangspunkt, um die Verhandlungen fortzusetzen, anstatt sich sofort zu einigen.
  • Hole weitere Informationen ein: Bitte die andere Partei, die Gründe für ihren Vorschlag zu erläutern, und sammle weitere Details, um deine Position zu stärken.
  • Bewerte den Kontext: Beurteile die vorliegenden Umstände und den Wert, der auf dem Spiel steht, bevor du entscheidest, ob eine Aufteilung der Differenz eine angemessene Strategie ist.

Das Buch «Never Split the Difference» ist aus meiner Sicht äusserst empfehlenswert, da es verdeutlicht, dass die Verhandlungstechniken des FBI auf denselben Grundprinzipien basieren, wie jede andere Verhandlung, nämlich auf dem Aufbau einer guten Beziehung, dem sogenannten Rapport.

Zudem erläutert Chris Voss, wie wichtig es zum Beispiel ist, Ankerpunkte zu setzen, und wie ein «Nein» häufig als Ausgangspunkt für weiterführende Verhandlungen genutzt werden kann.